Fahrzeugarchitektur: Next Generation

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Welche Fahrzeugarchitektur kann 20 TB Datenvolumen pro Stunde händeln? Die Frage ist berechtigt und dennoch nur eine Aufgabe von vielen, die auf dem Weg zum Autonomen Fahren ansteht.

Neue Fahrzeugarchitektur für komplexere Systeme

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Die Fahrzeugarchitektur der Vergangenheit genügte einfacheren Anforderungen – heute stressen neue Aufgaben. Das Automobil der Gegenwart betreibt eine große Zahl an Aktuatoren und Sensoren. Haben die Autobauer die Trendthemen Konnektivität und Elektrifizierung bislang oft mit Insellösungen umgesetzt, drängen V2X und das Autonome Fahren zunehmend zu einer Weiterentwicklung der Fahrzeugarchitektur. Einen weiteren Schub erhält der Veränderungsprozess durch die Software-Updates „over the air“.

Anforderungen an die Fahrzeugarchitektur der Zukunft

Woher kommen die angesprochenen Datenmengen von über 20 TB? Die Sensoren im Fahrzeug, welche das Volumen durch ihre unkomprimierten Daten auf dieses Volumen steigen lassen, sind hierfür verantwortlich. Die Wahrnehmung der Umwelt erfolgt über immer leistungsfähigere Messfühler. Dazu zählen nicht zuletzt bildgebende Einheiten.

Beim Autonomen Fahren wird die wahrgenommene Umwelt für die sichere Bewegung des Fahrzeugs auch bei hohen Geschwindigkeiten benötigt. Dies setzt nicht nur leistungsstarke Sensoren, sondern auch ein leistungsstarkes In-Vehicle-Netzwerk voraus, welches die aufgezeichneten Informationen schnell und stabil weiterleiten kann. Darüber hinaus muss die Fahrzeugarchitektur auch die Cyber Security des Gesamtsystems unterstützen.

Die gestiegenen Datenmengen müssen auch mit hoher Rechenleistung verarbeitet werden können. Die Resultate der Verarbeitung müssen in umgekehrter Richtung schnell und stabil an die Aktuatoren geleitet werden.

Das autonome Fahren nimmt Einfluss auf die Fahrzeugarchitektur. Die Sensoren treiben das zu handhabende Datenvolumen und die Systemkomplexität hoch. (Foto: shutterstock - Andrey Suslov, #2)

Das autonome Fahren nimmt Einfluss auf die Fahrzeugarchitektur. Die Sensoren treiben das zu handhabende Datenvolumen und die Systemkomplexität hoch. (Foto: shutterstock – Andrey Suslov, #2)

Domänenarchitektur in der Evolution

Das Fahrzeug-Netzwerk in klassischen verteilten Fahrzeug-Architekturen hat sich bereits hin zur heutigen Domänen-Architektur entwickelt. Das Gateway verbindet die Domänencontroller der verschiedenen Domänen und beherbergt die Informationen über die Topologie des Netzwerks im Fahrzeug. Das Gateway schützt die Domänen gegen Cyber Attacken von außen. Darüber hinaus erfüllt das Gateway eine weitere wichtige Funktion: es separiert die Domänen und vermeidet so unbeabsichtigtes Interagieren der Domänen untereinander. Dies verhindert beispielsweise Auswirkungen des Infotainmentsystems auf die Antriebsaktuatoren.

Infografik zur Fahrzeugarchitektur: die aktuelle Domänenarchitektur.

Infografik zur Fahrzeugarchitektur: die aktuelle Domänenarchitektur.

Der nächste Schritt der Fahrzeugarchitektur Weiterentwicklung ist das Verbinden der Domänen durch einen Server. Genau dies hat der Automobilzulieferer Continental mit seinem High-Performance Computer vorgenommen. Dabei bedient der High-Performance Computer sogar klassische verteilte Fahrzeugarchitekturen, in denen er als Router fungiert. In den aktuellen Domänen-Architekturen übernimmt der High-Performance Computer ebenfalls eine Routerfunktion und verbindet so die Domänen, unter Aufrechterhaltung des Separierens der Domänen. Details zum High-Performance Computer von Continental findet man hier.

Cyber Security in der neuen Fahrzeugarchitektur

Vernetzte Fahrzeuge können auf Cyber Sicherheit nicht verzichten. Ein Schritt zu mehr Cyber Sicherheit ist das Konzept der Ende-zu-Ende Verbindungen, das Automobilzulieferer Continental Lösungen seiner Töchter Elektrobit und Argus ermöglicht.

Im Gateway integriert Continental Sicherheitsfunktionen von Argus. Bei erkannten Angriffen in der laufenden Überwachung kann der Fahrzeughersteller reagieren und zum Schließen der Sicherheitslücken übergehen.

Zum Beseitigen der Verwundbarkeiten spielt der Fahrzeughersteller Software-Patches als Over-The-Air-Updates aus. Der Sicherheitsmaster im Gateway/High-Performance Computer von Continental steuert das sichere Einspielen der Updates. Mit cadian Sync von Elektrobit erhalten Fahrzeughersteller zudem ein Tool zur Planung und Ausführung der Over-The-Air-Updates.

Gleichzeitig nimmt mit dem High-Performance Computer die nächste Generation der dann serverbasierten Fahrzeugarchitekturen schon jetzt Gestalt an.

Mehr Hintergrundinformationen im Netz

  • High-Performance Computer von Continental

    Zum High-Performance Computer von Continental finden sich hier Details zum Hochleistungsrechner als Netzwerkmanager und Kommunikationsschnittstelle.

  • Aktuelle Fahrzeugarchitektur

    Der Artikel auf elektroniknet.de gibt einen Einblick in die Struktur der Domänen des Fahrzeugs nach der derzeit noch gültigen Fahrzeugarchitektur.

  • Evolution der Fahrzeugarchitektur

    Bereits im Jahr 2016 zeichnete sich die Entwicklung der Fahrzeugarchitektur hin zur heutigen Form ab. Der Artikel auf heise.de zeigte schon damals einen Server als Pace Maker im Fahrzeug.

Over-the-Air-Updates werden immer wichtiger

Im April 2019 veröffentlichten Subir Halder, Amrita Ghosal and Mauro Conti ihre Trend Survey. Die Trend Survey erkennt ein deutliches Ansteigen der Produkt-Rückrufe ab dem Jahr 2014. Mit der Zahl der Rückrufe steigt auch die Zahl der Gründe hierfür.

Die drei Autoren sehen die Möglichkeit zu Over-The-Air-Updates als wesentlich an, um die zunehmende Zahl an Rückrufen zu handhaben und verweisen dabei auf die Annahme, dass im Jahr 2020 etwa 75% der Autos weltweit über drahtlose Verbindungen verfügen werden. Allerdings sieht man die Fahrzeughersteller noch als Hindernis auf dem Weg. Tesla bietet für seine gesamten Car Features bereits OTA-Updates an. Damit steht Tesla allerdings einsam an der Spitze, die übrigen Hersteller hinken deutlich hinterher.

Der Continental High-Performance Computer ermöglicht Over-the-Air-Updates für alle vernetzten Elektronikkomponenten im Fahrzeug. (Foto: Continental AG, #4)

Der Continental High-Performance Computer ermöglicht Over-the-Air-Updates für alle vernetzten Elektronikkomponenten im Fahrzeug. (Foto: Continental AG, #4)

Die Zahl der Electronic Component Units (ECUs) in den Fahrzeugen nimmt weiter zu. Der zunehmende Einsatz von Software zur Steuerung der ECUs und die Zunahme der Lines of Code zur Steuerung von Fahrzeugkomponenten bewirkt einen steigenden Bedarf an OTA-Updates, zu denen sich nun auch noch die Firmware-Updates (FOTA) hinzugesellen.

Während die Fahrzeughersteller aufholen werden, weitere ECUs für OTA-Updates zu öffnen, ergeben sich mit den FOTA-Updates neue Baustellen. Mit der Zahl der updatefähigen ECUs steigt auch die Komplexität der OTA-Updates. Zur sicheren Planung und Handhabung der OTA-Updates ist ein Planungstool wie cadian Sync von Elektrobit zunehmend wichtiger.

Schon die OTA-Updates von Smartphones sind anspruchsvoll. Schlägt dort ein OTA-Update fehl, ist das Smartphone blockiert. Im Falle eines in Fahrt befindlichen Fahrzeugs muss ein Fehlschlag aus naheliegenden Gründen ausgeschlossen werden können.

Steigende Ansprüche an die Fahrzeugarchitektur

Das eingangs erwähnte 20 TB Volumen an unkomprimierten Daten pro Stunde mag uns heute hoch vorkommen. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Sensoren von morgen noch größere Datenvolumen liefern. Die Fahrzeugarchitektur der Zukunft muss ein schnelles und sicheres Verteilen der Datenvolumen zu den Abnehmern ermöglichen. So wächst auch die Anforderung an die Bandbreite von 1 Mbit/s auf 1 Gbit/s, 10 Gbit/s und sogar darüber hinaus.

Dieses Volumen schätzt den Bedarf für die Sensoren ein. Noch unberücksichtigt ist das Volumen für Infotainment, mobile Nachrichten- und Unterhaltungsdienste, welche sich an unseren Gewohnheiten im SmartHome orientieren.

Mit zur Wahrnehmung der Umwelt und damit zum Datenvolumen der Sensoren zählen alle Dienste aus dem Bereich V2X. Fahren Fahrzeuge autonom, kommunizieren diese mit den übrigen Fahrzeugen und mit der Infrastruktur.

Sensoren werden in den Fahrzeugen der nächsten Generation eine noch größere Bedeutung erlangen. Dies hat verschiedene Gründe. Sensoren für die Kommunikation von Vehicle to Vehicle (V2V) und Vehicle to Infrastruscture (V2I) werden zunehmend benötigt.

In der Kommunikation Vehicle to Vehicle (V2V) stehen die Abstimmung der Fahrzeuge untereinander zur Kollisionsvermeidung im Vordergrund. DSRC hat hier seine Domäne. Doch die Möglichkeiten gehen noch weiter. Auch zur Abwehr von Cyber Attacken kann DSRC bei V2V eingesetzt werden. Wird im Fahrzeug A eine mögliche Täuschung der Sensoren erkannt, kann das in der Nähe fahrende Fahrzeug B angefragt werden, ob es die gleiche Wahrnehmung hat. So müsste ein Hacker die Snsoren mehrerer Fahrzeuge gleichzeitig täuschen, um wirkungsvoll agieren zu können.

Doch auch bei der Mauterhebung wird DSRC schon jetzt eingesetzt, ein Bereich, dessen Bedeutung zunehmen wird. Die eindeutige Identifizierung eines Fahrzeugs wird für Kriminelle in der Zukunft ebenfalls ein Problem darstellen. Ein entwendetes Fahrzeug wird durch die permanent mit der Umwelt stattfindende Kommunikation stets erkennbar sein.

In den USA gehen die Anwendungsmöglichkeiten von DSRC allerdings noch ein ganzes Stück weiter. Während es sich in Europa – ausgehend von der europäischen Version gemäß den Normen von CEN und ETSI – bei DSRC um eine semi-passive Transpondertechnik mit sehr kleiner Kommunikationszone handelt, ermöglicht die US-Variante auf der Grundlage des Protokollstapels WAVE ein echtes Fahrzeug-Ad-hoc-Netz (VANET, Vehicular Adhoc NETworking). Die US-Variante von DSRC bildet eine automatische Fahrzeug-Fahrzeug- oder auch Fahrzeug-Baken-Kommunikation ab. Die Baken in diesem System sind Sendestationen am Straßenrand. Mit der US-Fahrzeug-Baken-Kommunikation sind viele zusätzliche Dienste möglich. Die Übermittlung von Staumeldungen und Navigationsdaten sind nur zwei davon. Natürlich sind auch mobile Nachrichten- und Unterhaltungsdienste denkbar.

Die Standardisierung und Regulierung von DSRC schreitet allerdings schleppend voran. So hat die Europäische Norm EN 12253 für das µWave-DSRC der Arbeitsgruppe CEN TC278 eine Frequenz von 5,8 GHz im ISM-Band mit max. 2 Watt Sendeleistung EIRP zur Bemautung spezifiziert. Die US-amerikanische Federal Communications Commission hingegen hat im Oktober des Jahres 1999 für DSRC eine Bandbreite von 75 MHz im Frequenzbereich um 5,9 GHz ausgewiesen. Im Jahr 2008 wurde schließlich mit der Norm ETSI EN 302 571 auch für Europa ein Frequenzbereich um 5,9 GHz vorgesehen. Die Abstimmung geschieht hier eher im Nachhinein.

Die Vielzahl dieser Anwendungen macht allerdings auch deutlich, dass jedes Fahrzeug auch über hochleistungsfähige Rechner verfügen muss, um alle diese Aufgaben in Echtzeit abarbeiten zu können.

Mit dem High-Performance Computer ist nun das Autonome Fahren ein gutes Stück näher gerückt.


Bildnachweis: © Foto: shutterstock – Titelbild Peshkova, #2 Andrey Suslov, #4 Continental AG

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